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CHRISTIAN MÜLLER
DER KUNST-VERNETZER
„In Leipzig kannte ich jeden Keller und habe da hunderte Lithografiesteine zusammengebracht“, erzählt der gebürtige Sachse. „Das ist alles eine ausufernde Sache.“ Was Christian Müller meint, ist seine Liebe zum Steindruck, einem Verfahren, dessen Erhalt der 79-Jährige sein Leben verschrieben hat. „Mein Umzug von Großpösna nach Wurzbach mit dem Schwertransporter hat ein Jahr gedauert und die ganzen Maschinen hierherzubringen, hat wohl ein Haus gekostet.“ Im Heimatort seiner Frau wartete glücklicherweise schon weit mehr als ein Haus auf Müller, seine Steine und Druckpressen – aber von vorn. Mitten in den Zweiten Weltkrieg hinein wird Christian Müller in Leipzig-Connewitz geboren. Das Abitur bleibt ihm verwehrt, er hat also gelernt, unkonventionelle Mittel und Wege zur Verwirklichung seiner Ziele zu finden. „Ich musste die Dinge schrittweise nachholen“, berichtet er und versucht gar nicht, sein breites Sächsisch zu vertuschen. „Ich hoffe, es ist nicht schlimm, wenn ich als Connewitzer spreche.“ Als solcher, aber vor allem als Kunstbegeisterter lernte Müller erst den Beruf des Steindruckers, rückte ein, weil er musste, wurde danach zunächst Ingenieur für Polygrafie und machte sein Tiefdruck-Diplom an der Technischen Hochschule Leipzig – „weil ich da bequem mit der Straßenbahn rüber fahren konnte.“ Aber sicher auch, weil Leipzig Zentrum für Druck und Kunstdruck war. Müller wurde erst Technischer Leiter beim halbstaatlichen Betrieb C. G. Röder, einer der größten Musikaliendruckereien Europas, und dann Betriebsleiter der Graphischen Kunstanstalt H.F. Jütte, „einer hochkarätigen Druckerei mit vielen Idealisten mit Faible für kunst- und lithografie-bibliophile Bücher“, die von allen Seiten von der Stasi bewacht wurden. „Mir wäre aber nie eingefallen, in den Westen zu gehen. Ich habe immer gesagt: Ich bin der letzte, der das Licht ausmacht“, erinnert sich Müller. „Aber schon zu Schulzeiten bin ich bockig geworden, als ich mitbekommen habe, dass mein Lehrer eine Auszeichnung bekommen sollte, wenn er dafür sorgt, dass keiner seiner Schüler mehr in die Kirche eintritt, und habe mich konfirmieren lassen. Wir haben die Kreuze unter der Jacke getragen. Mein Oberster ist der liebe Gott, dann kommt der Steindruck, und dann kam Honecker.“
Seit elf Jahren existiert der Beruf als solcher nicht mehr. Die Ausbildung ist verboten. Es geht nur noch um die digitale wissenschaftliche Erhaltung, also setze ich alles daran, das Verfahren am Leben zu erhalten.
Und noch vor der Wende kam das „Grafik-Angebot“. So mussten Müller und seine Frau – „die immer schon vorpreschte, ohne sie wäre das alles nie denkbar gewesen“ – die Pension mit Druckerei und Töpferei nennen, die sie in Großpösna bei Leipzig als eine der wenigen Privatgalerien mit Verlag für Künstlerinnen aufbauten. Weil alles andere staatlicher Kunsthandel gewesen wäre. „Ich habe Fotografien, auf denen die Kunst auf der Wäscheleine im Garten hängt, und Leute, die den Umbruch mitgemacht haben, saßen überall herum“, erzählt Müller, „die Thomaner, christliche Leute, Stasileute, der eine hat den anderen bewacht.“ Bereits damals gründete er mit Nicht-Künstlerinnen einen Kunstverein zur Förderung der Lithografie. Er bildete sieben Lehrlinge im Steindruck aus, die jetzt unter anderem auf dem Leipziger Spinnereigelände arbeiten und an den Kunsthochschulen in Leipzig, Halle und Weimar lehren. „Seit elf Jahren existiert der Beruf als solcher nicht mehr. Die Ausbildung ist verboten. Es geht nur noch um die digitale wissenschaftliche Erhaltung, also setze ich alles daran, das Verfahren am Leben zu erhalten.“
Uns ist aber wichtig, dass das alles nichts mit elitärer hoher Kunst zu tun hat. Galerie und Museum sind für alle offen. Meine Frau stellt in ihrer Töpferei selbst Gebrauchsgegenstände her, verkauft aber auch Objekte anderer Künstler, und für die Kinder gibt’s was zum Lesen für 99 Cent.
Vom ehemaligen Rittergut im Zentrum Wurzbachs aus, das der Großvater seiner Frau nach dem Ersten Weltkrieg zum Modekaufhaus umbaute, betreibt Müller seit 2005 Vernetzungsarbeit in die ganze Welt. Im Kunsthaus Müller richtet das Ehepaar Sommerfeste aus, gibt Workshops, veranstaltet Lesungen und Konzerte in Kollaboration mit der Kirche. Und natürlich hält Christian Müller seinen Maschinenpark aus Lithografiepressen aus dem späten 19. Jahrhundert und „supermodernen“ Druckmaschinen von 1920 mit Aluminiumplatten für fototechnische Arbeiten mit Druckaufträgen für Armin Mueller-Stahl, Künstler*innen der Leipziger Schule oder Michael Fischer-Art in Bewegung. „Uns ist aber wichtig, dass das alles nichts mit elitärer hoher Kunst zu tun hat. Galerie und Museum sind für alle offen. Meine Frau stellt in ihrer Töpferei selbst Gebrauchsgegenstände her, verkauft aber auch Objekte anderer Künstler, und für die Kinder gibt’s was zum Lesen für 99 Cent“, betont Müller. Sein Kunsthaus in der Grenzstadt zu Bayern wird auch von Einheimischen mittlerweile nicht mehr argwöhnisch beäugt, sondern als Raum des Miteinanders direkt neben dem von Michael Fischer-Art bemalten Turm am Markt geschätzt. „Das alles ist natürlich nicht einfach zu erhalten, es ist noch so manche Verschönerung auf dem Gut vorzunehmen, auch wenn ich mich längst nicht als Ritter fühle“, erzählt Müller schmunzelnd. „Aber der Ort kann sich darauf verlassen, dass wir hier Dinge auf die Beine stellen. Und wenn man dafür ein wenig verrückt sein muss, dann sind wir das mit Sicherheit.“